Einerseits nicht so selten, andererseits etwas Besonderes: So kann man die Bürgermeister-Familie Stolz nach der Wahl in der Gemeinde Reichenau beschreiben, die nun zwei Wochen her ist. Vater Rainer war von 1993 bis Ende 2023 Bürgermeister von Stockach, Sohn Christoph ist seit Mitte 2023 Bürgermeister von Bodman-Ludwigshafen und nun wird Sohn Philipp ab Februar 2026 Bürgermeister von Reichenau. Und das alles im selben Landkreis.
Die örtliche Nähe und dass die Söhne Zwillinge sind, ist eine einmalige Konstellation. Simon Mai, einer der Geschäftsführer von der Agentur Creategy, der aus Stockach kommt, betreut bundesweit Kandidaten bei Bürgermeisterwahlen und hat noch nie Zwillinge als Rathaus-Chefs erlebt. Verwandte, die in verschiedenen Landkreisen Bürgermeister sind, dagegen schon. Mai, der in Stockach aufgewachsen ist, fallen zwei Beispiele aus Baden-Württemberg ein: Familie Bükle und Familie Döfflinger.
Zwei Beispiele von Väter und Söhnen
Bei den Bükles sind sogar beide Eltern in der Lokal- und Regionalpolitik: Vater Roland war bis 2017 Bürgermeister von Bad Wurzach (Landkreis Ravensburg), Mutter Stefanie ist seit 2014 Landrätin des Landkreises Sigmaringen und beide Söhne sind ebenfalls Bürgermeister – Philipp Bükle seit 2023 in Ochsenhausen (Landkreis Biberach), Matthäus Bükle seit 2024 in Eschelbronn (Rhein-Neckar-Kreis).
Sören Döffinger, Rathaus-Chef von Mulfingen (Hohenlohekreis), war zum Zeitpunkt seines Amtsantritts mit 25 Jahren der jüngste Bürgermeister in Deutschland. Sein Vater Joachim amtiert seit 2010 als Rathaus-Chef von Assamstadt (Main-Tauber-Kreis).

„In solchen Familien wächst man mit dem Thema Lokalpolitik auf“, sagt Simon Mai. Diese Bürgermeister seien „Überzeugungstäter“, die den Beruf mit ganzen Herzen machen. Ein Wahlkampf koste viel Zeit und Geld – sowas müsse man daher auch aus Überzeugung machen. „Bei Philipp und Christoph Stolz ist das Bürgermeister-Herz am rechten Fleck.“
Der Kandidat gewinnt, nicht der Name
Simon Mai und sein Team haben jeweils die Wahlen der Zwillingsbrüder Stolz begleitet. Creategy bietet verschiedene Möglichkeiten an, die man buchen kann – je nach dem, was die Kandidaten benötigen oder wollen. Die Firma hat schon mehr als 100 Wahlen mitgemacht. Der Name setzt sich übrigens aus den englischen Begriffen creativity (Kreativität) und strategy (Strategie) zusammen.
„Die Leute kommen mit unterschiedlichem Vorwissen“, erklärt er. Die Agentur könne schauen, dass es im Wahlkampf flutsche, allerdings sei das Wahlergebnis am Ende die Leistung des Kandidaten. Mai sagt deshalb ganz klar: „Am Ende des Tages hat Philipp Stolz die Wahl gewonnen, nicht der Bruder oder der Nachname.“
Bei den 32-jährigen Zwillingen Stolz sei jeweils viel Wissen dagewesen. „Beide hatten einen sehr guten Plan und wussten, was sie wollen und nicht wollen“, sagte Mai über den Wahlkampfstart. Sie seien sehr motiviert gewesen und hätten alles sehr gut umgesetzt. Er sieht die beiden sogar als eine Art Musterbeispiel dafür, wie ein idealer Kandidat aussieht.

Simon Mai ist bundesweit nicht nur bei Bürgermeisterwahlen aktiv, sondern auch oder zum Beispiel bei Landtagswahlen. Das mache ihm immer Spaß, aber da er aus Stockach stammt, habe er hier in der Umgebung einen persönlichen Bezug zu den Orten und kenne sich gut aus. Und hier in seiner Heimatregion gab es schon mehrere Wahlen, bei denen er involviert war: Bodman-Ludwigshafen, Stockach, Engen und zuletzt Reichenau. Ein Schwerpunkt von Creategy liegt übrigens auch im Raum Stuttgart.
Lob für einen fairen Wahlkampf
In Reichenau habe er mitgefiebert – das sei eine von vier Wahlen am selben Tag gewesen und von dort seien die Ergebnisse als Letztes gekommen. Dass ein Stromausfall beinahe verhindert hätte, dass man die Ergebnisse online sehen kann, habe er erst gar nicht gewusst.
Mai freut sich sehr, über den Wahlsieg von Philipp Stolz und hat viel Lob an beide Reichenauer Kandidaten: „Ich habe den Wahlkampf als sehr fair wahrgenommen. Das habe ich vielerorts schon anders erlebt.“
Die Bundesländer haben unterschiedlich lange Amtszeiten für Bürgermeister. Die längste liegt unter anderem in Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz bei acht Jahren. In Nordrhein-Westfalen sind es fünf Jahre und Creategy hatte dort einmal einen Wahlsonntag mit 17 Wahlen gleichzeitig. Laut Simon Mai werden rund 72 Prozent der von Creategy betreuten Kandidaten gewählt – die Bürgermeister mit einem Elternteil in der Lokalpolitik seien unter den erfolgreichen Personen.
Simon Mai erklärt auf Nachfrage, die Auslastung von Creategy sei gut, schwanke aber immer etwas. Am 8. März 2026 werde aufgrund der Landtagswahl in Baden-Württemberg einiges los sein und in Bayern sei im März Kommunalwahl.

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