Was für eine Wahl! Eine Auszählung bei Stromausfall und ein Ergebnis, das in mehr als nur einer Weise einzigartig ist. Das Wichtigste ist aber: Die Entscheidung in der Gemeinde Reichenau fiel im ersten Wahlgang. Philipp Stolz erhielt 64,53 Prozent der gültigen Stimmen und setzte sich damit eindeutig als künftiger Bürgermeister durch.
Sein Mitbewerber Mario Streib erreichte 35,24 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 58,5 Prozent – 2516 der 4299 Wahlberechtigten nutzten ihr Wahlrecht, wobei 10 Stimmzettel ungültig waren und sechs Stimmzetteln andere Namen in die frei Zeile eingetragen wurden.

Die letzte Stunde vor der Schließung der Wahllokale und die folgende Auszählung hatten den dramatischen Effekt eines Stromausfalls. Notstromaggregate sorgten zur Überbrückung im Rathaus und der Touristinfo für Licht, wobei auch Kerzen und Taschenlampen im Einsatz waren. Man könnte fast sagen: Das passte ein bisschen zu den alten Gemäuern und der traditionsreichen Insel Reichenau.
Hunderte Zuschauer bei der Verkündung
Der Strom kam rechtzeitig zur Sitzung des Gemeindewahlausschusses und der Verkündung des Ergebnisses vor dem Rathaus wieder. Bürgermeister Wolfgang Zoll nannte in der kurzen Sitzung die wichtigsten Zahlen zur Wahl, die er kurz darauf auch den zahlreichen Zuschauern vor dem Rathaus sagte. In Wählerzahlen bedeuten die Prozente, dass 883 Wähler für Mario Streib gestimmt haben und 1617 für Philipp Stolz.

Hunderte Einwohner verfolgten live vor dem Rathaus die Verkündung, die erste Worte ihres künftigen Bürgermeisters und die Reden, zwischen denen es Musik und Gesang von der Bürgermusik, dem Spielmannszug sowie der Badenia gab. Die Feuerwehr stellte einen 12,5 Meter Baum für Philipp Stolz auf, den der Förster ausgesucht und die Feuerwehr am Vortag aus dem Wald geholt hatte.
Große Freude bei Wahlsieger Philipp Stolz
Der 32-Jährige Philipp Stolz, der das Amt zum 1. Februar antreten wird, zeigte sich überwältigt. Im Gespräch mit Tiefgang sagte er, er freue sich sehr und müsse es erst noch realisieren. Ähnlich war es auch auf den Stufen der Rathaustreppe. Er dankte seiner Familie sowie seiner Freundin Ramona Frondorf und hob seinen Mitbewerber Mario Streib hervor, mit dem es einen ehrlichen und zivilisierten Wahlkampf gegeben habe. Er hoffe, dass Streib der Gemeinde Reichenau als Hauptamtsleiter erhalten bleibe – er würde gerne mit ihm zusammenarbeiten.



„Ich freue mich, für sie da sein zu dürfen“, sagte Stolz zu den Einwohnern. „Ich hoffe, ich kann mir dieses Vertrauen verdienen.“ Er wolle versuchen, in den kommenden 8, 16 oder mehr Jahren zu einem echten Reichenauer zu werden.
Einzigartiges Doppel
Für die Gemeinde ist es großartig, dass die Wahl direkt im ersten Wahlgang ein Ergebnis hat und dieses auch noch so eindeutig ausfällt. Der Landkreis Konstanz hat nun zudem eine absolute Sensation, da es bundesweit einzigartig sein dürfte, dass Zwillingsbrüder Bürgermeister sind. Mehr noch: Bürgermeister von Gemeinden im gleichen Landkreis.

Die Wahlen in Bodman-Ludwigshafen und Reichenau, beides traditionsreiche Gemeinden direkt am Bodensee, weisen auch Parallelen auf: In beiden Fällen gab es zwei starke Kandidaten – einer war aus der Gemeinde (Gemeinderat oder Verwaltung) und der andere kam von außerhalb (Christoph und Philipp Stolz). Letzterer gewann jeweils deutlich.
Und das ist noch nicht alles: Philipp Stolz will natürlich in die Gemeinde ziehen und dann wird es nochmal etwas geben, das heraussticht: Zwei Männer, die in Stockach aufgewachsen und in die Politik gegangen sind, wohnen dort – der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung und Philipp Stolz. Beide kommen aus Stockach und gingen sogar auf dieselbe Schule.
Jung gehörte zu den Rednern des Abends, die nicht nur gratulierten, sondern auch die Fairness im Wahlkampf und weitere Dinge hervorhoben. Landrat Zeno Danner sprach den 9. November als schicksalhaftes Datum für Deutschland an, da er am späten Nachmittag bei einem Vortrag dazu in Stockach gewesen war und betonte, wie wunderbar es sei, gute Kandidaten bei zwei demokratischen Wahlen zu haben. Am selben Tag war auch Wahl in Steißlingen, bei der Danner zwischen dem Vortrag und der Ankunft am Reichenauer Rathaus gewesen war.
Die Sache mit dem Strom…
Der Stromausfall wurde zum Running Gag, da der Allensbacher Bürgermeister Stefan Friedrich, der im Namen aller Bürgermeister des Landkreises gratulierte, frotzelte, so ein Stromausfall reiche nicht, um ihn als Allensbacher von der Insel fernzuhalten und dass ohne Allensbach nichts gehe. Dies spielte darauf an, dass der Stromausfall dort seine Ursache gehabt hatte.

Der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt trug der Gemeinde im Rahmen seiner Rede spontan die Stadtwerke Konstanz als verlässlichen Ökostrom-Lieferanten an und Andreas Jung bemerkte schließlich, aufgrund der Wahlprogramme sei er sicher, dass sich die Gemeinde neben Gemüse und Wein in einigen Jahren auch autark mit Strom versorgen könne, man brauche also keinen Strom aus Konstanz.
Drei Bürgermeister und ein Kinderfoto
Die ganze Familie Stolz und viele Freunde waren an diesem Festabend dabei. Rainer Stolz, Alt-Bürgermeister von Stockach, sagte im Gespräch mit Tiefgang, er sei ein stolzer Vater. Er freue sich, dass sein Sohn Philipp so viele Menschen erreicht habe und die Arbeit und der Einsatz in der vergangenen Zeit von Erfolg gekrönt seien. Bisher wurde das Thema Bürgermeister bei Philipp Stolz und seinem Bruder Christoph, der seit 2023 Bürgermeister von Bodman-Ludwigshafen ist, immer auf Vater Rainer zurückgeführt. Doch Mutter Gudrun hat eine Anekdote: Von ihr gebe es ein Foto als Kleinkind, auf dem sie beim Laufen die Hände hinter dem Rücken verschränkt habe – so wie es Bürgermeister früher oft beim Gehen getan hätten, weshalb auf dem Bild die Notiz „Fräulein Bürgermeister“ stehe.
Christoph Stolz konnte am Sonntagabend nicht nur seinem Bruder, sondern auch seinem künftigen Kollegen gratulieren. Auf Nachfrage sagte er: „Als Bruder bin ich wahnsinnig stolz und freue mich. Ich weiß, Philipp wird sich mit all seiner Kraft einsetzen. Als Kollege freue ich mich auf eine gute partnerschaftliche Zusammenarbeit.“

Landrat Zeno Danner schlug übrigens scherzhaft vor, die Zwillingsbrüder könnten sich vielleicht auf unterschiedliche Kleidungsfarben einigen, damit er sie besser auseinander halten könne. Dann wurde er ernst: „Ich finde es bemerkenswert, wie man sich in einer Familie so darauf einlässt, für die Öffentlichkeit da zu sein. Das ist nicht selbstverständlich.“ Friedrich, Danner und Jung zollten zudem Mario Streib ihren Respekt für den Wahlkampf.
Pater Stephan, der ebenfalls gratulierte, gab einen kleinen Ausblick, wann die Treppen am Rathaus wieder eine große Rolle spielen – am 25. April dürfe Philpp Stolz dort den Abt von Jerusalem beim Markusfest begrüßen.
Philipp Stolz ist übrigens momentan Leiter der Stabstelle Digitalisierung in Schorndorf. Er will nun auf Wohnungssuche gehen und möglichst zum Amtsantritt in der Gemeinde Reichenau wohnen.





















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